Ganz rein! – Jüdische Ritualbäder”
Freitag 23. Juni -
Samstag 22. Juli 2017
geöffnet: Fr., Sa.,
So. 10.00
- 17.00 Uhr
Photographien von Peter Seidel
Eine Ausstellung der Jüdischen Museen Hohenems, Frankfurt, Franken und
Wien
Programmbeitrag zu den WASSERZEICHEN 2017 des Regionalmanagements
Kitzinger Land
Alte Synagoge, Landwehrstr. 1, Kitzingen, ehemalige Mikwe, Zugang vom
Mainufer
In
aufwändigen Architekturstudien zeigt der Frankfurter Fotograf Peter
Seidel die Vielfalt der Bauformen jüdischer Ritualbäder in
Europa. Fast zwanzig Jahre lang hat er in Frankreich, Italien,
Spanien, Österreich und Deutschland jüdische Ritualbäder von
der Antike bis in die Gegenwart fotografiert. Baugeschichtlich
haben die Mikwen eine ähnlich große Bedeutung wie Synagogen,
doch augrund ihres intimen Charakters bleiben sie zumeist eher
im Verborgenen. Erstmalig werden diese Räume unterschiedlicher
Epochen in einer Fotoausstellung präsentiert.
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Andernach
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„In die Höhle Licht hineinzubringen, hinter ihre
Erscheinungen zu sehen, die Feinheiten sichtbar zu machen,
stellt den einzig denkbaren Fortschritt in der Erfassung des
Wirklichen dar. Die Worte von Hans Blumenberg in seinem Werk
„Höhlenausgänge“ bringen meine Motivation auf den Punkt,
mich immer wieder mit den facettenreichen Realitäten des
Untergrundes zu konfrontieren, und die Bilder, die mich dort
finden, ins Fotografische zu übersetzen. |
Die Sehsucht, Räume unterhalb der Alltagsoberfläche zu
erforschen, hat ihre biografischen Wurzeln vermutlich auch in
meinem Lebensumfeld im Frankfurt am Main der 50er Jahre. Noch
immer reckten sich kriegswunde Hausgerippe wie von Piranesi
entworfene Mahnmale in den Himmel. Die Fragen nach dem Warum
erstickten ohne glaubwürdige Antworten in den Sofakissen des
Schweigens der verantwortlichen Generation. Früh waren meine
Antennen auf Empfang gestellt, Sinne zu schärfen, wenn es um
Intoleranz, Unrecht und Gewalt ging. Als Zwölfjähriger führten
mich meine Schritte vaterseelenallein in die Paulskirche, wo ich
mich konfrontierte mit den blinden Brillenbergen, ihren
enteigneten Pappkoffern, den angstzerrissenen Gesichtern der an
der Rampe Entwürdigten, den tödlichen Dosen mit Zyklon-B. Die
Auschwitz-Ausstellung mit ihren Bildern, die sich auf ewig
einbrannten. |
Georgensgmünd
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Worms
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Ich begann mich für Alles zu interessieren, was links und
rechts neben ihm lag, oft vermeidend, ihn zu begehen – den
Mittelweg. Auch machte ich die Erfahrung, dass Bewegung gut ist
für das Fortkommen. Später, sonntags, währenddessen auch ich
mich an der Kiesgrube im Sande hätte wälzen können, widmete
ich mich der Industrie-Archäologie und hatte mein Schlüssel-Erlebnis
im alten Abwasserklärwerk in Frankfurt-Niederrad, einem
grandiosen Gewölbe aus Oben und Unten, Hell und Dunkel,
Wirklichkeit und Spiegelung, Wasser und Stein, Hölle und
Heimat. Viele hätten wohl die Flucht ergriffen angesichts
dieses brodelnden Gedärms der Stadt, dieser Zweigstelle von
Dante`s Inferno. Ich blieb. |
Meine Reise durch die Unterwelten führte mich auch nach
Friedberg, einer Stadt im Hessischen, ich tauchte erneut ein, in
einen sakralen Raum, die in der Judengasse im Ortskern gelegene
Mikwe. In einem Hinterhöfchen präsentiert sich ein
architektonisches Capriccio, wie es kaum beeindruckender in der
Mezquita-Moschee in Córdoba zu finden sein könnte. Durch den
niederen Spitzbogen der Tür eintretend, stehen der und die
Besuchende vor einem steilen Abenteuer an Treppe, das uns,
vorbei an Sandsteinsäulen mit reich ornamentierten Kapitellen,
in einem gemauerten Schacht an der Wand entlang führt ins
Unbestimmte, um in einem stattlichen Becken zu versinken, das
bis zu seiner Tiefe von sieben Metern mit glasklarem Wasser gefüllt
ist. Ein jüdisches Bad des späten Mittelalters, das in seiner
Monumentalität der nahen christlichen Platzkirche, von
denselben Baumeistern errichtet, in nichts nachsteht und dessen
kontemplative Ruhe im Verborgenen die langen Jahrhunderte
hindurch erhalten blieb. Ein authentischer Ort, der seine
Geschichte anfühlsam erlebbar macht. Mit großem Glauben und
Aufwand gebaut für ein Ritual, das in der jüdischen Religion
tief verwurzelt ist. Ganz rein.“ |
Friedberg
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Peter Seidel, Frankfurt am Main, November 2009 |
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Die
Ausstellung im Rahmen des Kulturprojekts “WASSERZEICHEN
2017” des Regionalmanagements Franken wird gefördert
durch:
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